GesellenortVortragende und Absolventen des
Jesuitenkollegs und -gymnasiums in Jindřichův Hradec/Neuhaus
Es gibt
Orte, die Schöpfer nur kraft ihrer Existenz anziehen, sie haben es sozusagen in ihrer
„Arbeitsbeschreibung“. Vom Ende des 16. Jahrhunderts bis zu den 70er Jahren des
18. Jahrhunderts handelte es sich oft um Jesuitenkollegs. Vor allem im
17. Jahrhundert spielte das Kolleg in Jindřichův Hradec eine wichtige Rolle. Schon
ihre damaligen Rektoren schrieben sich in das literarische Geschehen ein. Jules Coulturier
gab im Jahre 1653 eine lateinische Schrift über die Schicksale christlicher „Helden“
(„XVIII Heroum Christianorum spectacula“) heraus. Jan Falk (1684-86) widmete sich
theologischen Fragen und Übersetzungen zeitgenössischer fremdsprachiger Poesie
(„Flammae saggitte et amores Mariani“) und Ferdinand Waldhauser (1693-95, später ein
Provinzial der böhmischen Provinz des Jesuitenordens) verfaßte hier seine
philosophischen Schriften. Als schlagfertiger Prediger wurde hier Matěj Neumann, als
Lobredner der gebürtige Prager Václav Kolbe berühmt. Der heute wahrscheinlich
bekannteste Gelehrte und Schriftsteller des böhmischen Barock, Bohuslav Balbín,
verbrachte hier fast fünf Jahre (1656-1660), nach Zdeněk Kalista gehörten sie zu den „fruchtbarsten
und wahrscheinlich auch glücklichsten Jahren seines Lebens“. Er unterrichtete hier
Rhetorik, gab Nachhilfestunden, lernte polnisch von einer Gruppe von elf Polen, die vor
dem schwedischen Überfall nach Hradec/Neuhaus in Sicherheit flüchteten. Er ordnete auch
das Archiv der Adelsfamilie Slavata, fuhr in das archivarische Mekka in
Třeboň/Wittingau, ordnete eigene Gedichte und Epigramme („Examen melissaeum“, 1663),
schrieb eine marianische Schrift („Diva Tuřanensis“, 1658) und als Darstellung seiner
Wallfahrt, die er aus Jindřichův Hradec/Neuhaus nach Svatá Hora u Příbrami unternahm,
schrieb er ein weiteres marianisches Werk „Diva Montis Sancti“ (1665).
Unter den
Schülern des Gymnasiums in Hradec/Neuhaus gab es viele berühmte Persönlichkeiten
unterschiedlichster Interessen, von Adam Michna von Otradovice über den persönlichen
Arzt der Habsburger Marek Marci bis zum Enkel des Siebenbürger Verschwörers Franz
Leopold Rakoczy. Unter den literarisch Tätigen ragten vor allem Jiří Bílek von
Bílenberg (absolvierte 1607), Tomáš Pešina von Čechorod (1644-48) und Matěj Benedikt
Bolelucký (1646-50) heraus. Alle von ihnen neigten vor allem zu historischen Schriften
und hinterließen Werke, ohne die man sich die böhmische (nicht nur) barocke
Geschichtsschreibung nicht vorstellen kann.
An der Wende vom
17. zum 18. Jahrhundert erfüllten einige der Absolventen von Hradec/Neuhaus auch
schwere missionarische Aufgaben jenseits des Ozeans, vor allem in Südamerika (František
Boryně von Lhota oder Vojtěch Albert Eusebius Bukovksý). Ihre Briefe und darin auch die
Spuren ihrer Leben lesen wir heute als wirksame und höchst authentische Literatur. |