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(Nach der Mutter) ein Kolonisator an der heimatlichen Maltsch

Hans Watzlik

Während tschechische Anhänger der Wiedergeburt im sprachlich geteilten České Budějovice/Budweis das literarische Tschechentum entdeckten, entschied sich Hans Watzlik (nach seinem Vater eigentlich Johann Vaclik) endgültig für „das Element seiner deutschen Muttersprache“. Und nicht irgendwie. Einen leidenschaftlicheren nationalen Verteidiger und Stürmer würden wir nur schwerlich finden. In seiner Befangenheit für die Vollkommenheit des „Waldvolkes“ war er oft böse (vor allem auf die Tschechen), mit dem Dritten Reich ließ er sich viel mehr ein, als man auch mit geschlossenen Augen tolerieren könnte. Das ändert aber nichts daran, daß er ein wirklicher Dichter - sowohl der Poesie, als auch der Prosa - war.

„Mein Vater, der Postmeister des Marktfleckens Unterhaid, stammte aus einem an der Sprachgrenze seßhaften Bauerngeschlecht. Der Mutter Vorfahren sind bis ins 14. Jahrhundert zurück urkundlich nachweisbar, da rodeten sie schon die Wälder Südböhmens, und manche Siedlung wurde nach den Ahnen Walkunschlag getauft.

Das liebe Nest, das mich geboren, liegt dort, wo der Böhmerwald zu einer freundlichen, offenen Hügellandschaft niederwellt, am Fluße Maltsch hart an der oberösterreichischen Grenze, die Heerstraße bricht dort von der Donau her in Deutschböhmen ein.

Diese Straße war mir von großer Bedeutung. Darauf hatte einst der Mutter Vater, der Michel Weilgung seines Amtes als Postillion gewaltet: mit rotem Schösselrock und gelben hosen, mit Zweispitz und gesporntem Faltenstiefel funkelte und ritt er und führte mit seinen vier Rossen die hohen und allerhöchsten Herren über den Kerschbaumer Sattel. ...

Mein liebstes Gespiel war die Maltsch, das seichte, breite Flüßlein, nach dessen Fischlein ich vergeblich haschte, dessen goldenbraune Wasser ich mit unsäglicher Mühe durchwatete. (Es war ein Feiertag, wenn mich die Mutter bloßfüßig gehen ließ, ein bittersüßes Fest, denn der Flußsand tat den zarten Sohlen weh.)

Über die Maltsch sprang ein waghalsiger, nur aus zwei Balken gefügter Steg, darüber wallfahrtete ich nach Maria-Schnee. Dort im Kirchlein lagen zwei ungeschlachte Felsen, auf einem davon rastete die Gottesmutter mit dem Kind. ... So lebte manches Jahr das Bild des Himmelreiches in mir.

Doch alles, was nun an meiner Dichtung wesenhaft ist, das Grundfeste, der Zug zur Legende, zur Schwärmerei und zum Grauenhaften, die Lust, verschollene Zeit zu gestalten, ich fühle, all das hat in jenem Flecken Erde seine Herzwurzel.“

Hans Watzlik: Wurzelland, 1919

„Dieser Schriftsteller will sich mit seinen Texten an jenem Schaffen mitbeteiligen, für welches es keine passendere Bezeichnung als die nationale Wiedergeburt des deutschsprachigen Böhmerwaldes gibt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts greift Watzlik das gleiche Selbstverständnis auf, wie dies bei den auf Tschechisch schreibenden Autoren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu finden ist. Er hat das Gefühl eines Erweckers, der sein Volk aus dem Dusel zur Wachtsamkeit aufrüttelt und der es vor der Bedrohung seitens des stärkeren Volks schützt. Die Irrlichter und die Zwerge sind für ihn genau so lieb wie die katholischen Pilgerstätten, weil sowohl die einen als auch die anderen den gleichen Glauben und die gleiche Schaffenskraft des Volkes, des Stammes, der Nation darstellen.“

Martin C. Putna, 2000

Auswahlbibliographie von Hans Watzlik:
Im Ring des Ossers, 1913
Phönix, 1916
O Böhmen, 1917
Zu neuen Sternen, 1919
Aus wilder Wurzel, 1920
Der flammende Garten, 1921
Fuxloh, 1922
Stilzel, 1926
Ridibunz, 1927
Adlereinsam, 1928
Pfarrer von Dornloh, 1930
Die romantische Reise des Herrn Carl Maria von Weber, 1932
Die Leturner Hütte, 1932
Erdmut, eine wunderbare Kindheit, 1935
Balladen, 1938
...ackert tiefer ins umstrittene Land, 1938
Der Meister von Regensburg, 1939
Der Verwunschene, 1948

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2003-07-08 08:22:14  Co s tím Watzlikem? (Bartoloměj Gora)

2003-08-28 13:50:34  Re: Co s tím Watzlikem? (Martin Gaži)

2006-09-07 15:02:11  Re: Re: Co s tím Watzlikem? (Přemek Hnilička)

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