Über dem Wehr der Mond und
noch ein Schornstein - im Fenster ein unbezwinglicher Haarschopf und Slávka Hlubinová Fráòa ©rámek
Das
Phänomen ©rámek traf während der Zeit zweimal großes Pech. Das eine hatte sozusagen
eine gesamtnationale Wirkung: ©rámeks anarchistische Sammlungen wählte nämlich der
marxistische literaturtheoretische Offizial Franti¹ek Buriánek als sein Opfer aus. Bis
heute kommt bei der Abiturfrage „Generation der Rebellen“ die verzweifelt gesuchte und
schließlich gefundene Antwort „©rámek“. Das andere hat bis heute eine eher lokale
Wirkung: spricht man nämlich heute den Namen des „Dichters der Jugend“ vor einem
Patrioten aus Sobotka oder Písek aus (in Sobotka wurde ©rámek geboren und suchte hier
seine Wurzeln, in Písek besuchte er ein Gymnasium und ließ sich hier inspirieren),
verschleiert seinen Geist und seine Augen ein sentimentaler Nebel, und der hohle Pathos
des nüchternen Professionals läßt die Worte erklingen: „Der silberne Wind saust...“
oder „Am Fluß Otava ein Floß nach dem anderen...“. Ein Grabstein von zweierlei Last.
Und ©rámeks
Werk lebt trotzdem. Die postpubertären Punks vertonen immer wieder seine
antimilitaristischen Verse. Für literarische Gurmanen und auch erwachsen werdende
Mädchen lohnt es sich, in den Staub der Bibliothek nach der Sammlung „Splav“ (aus der
Zeit des Ersten Weltkrieges) zu greifen, und Slávka Hlubinová, die Hauptgestalt des
Werks „Mìsíc nad øekou“, der bittersten und zugleich lyrischsten „Komödie“ der
tschechischen Bühnen, kann immer noch nach der Saite greifen, die wohl jeder in sich
versteckt, der schon 27 war. Bis in die Eingeweide greifen und wahrscheinlich noch weiter.
Grabstein hin
oder her - Písek/Pisek wäre ohne ©rámek kein richtiges Písek/Pisek. Und dabei
verbrachte er hier, bitte, nicht einmal zehn Jahre (1885-1894) und kehrte nie mehr
zurück.
„So oft
traf ich ihn damals in meiner Heimatstadt Písek/Pisek, und trotzdem war das nicht er!
Einmal in Podskalí, unter der alten Burg, wo das Wehr tost und Trauerweiden ihre langen
Haare im Strom von Otava naß machen; hier stand er, wie ein alt gewordener Mann in blank
gewetzten Kleidern, eine schwarze Masche am Hals, in der Hand irgendein sorgfältig
verpacktes Tableau, er sah irgendwohin oder auch nicht, aber in den Augen hatte er die
Trauer aus dem traurigsten Lustspiel in der Welt. Er sah aus wie Herr Hlubina...
Und andermal
traf ich ihn unerwartet über der Stadt, über Václavské skály, er sah wie ein
Jüngling aus, barhaupt, er hatte glühende Augen und um den Kopf erklangen ihm Verse und
Tiraden so, wie er sie irgendwo am Fluß, auf den Weiden oder am Brunnen sammelte - Gott
weiß wo, aber es war auch er. Jeník Ratkin war ihm sehr ähnlich...Er bummelte um das
geschlossene Gymnasium, das damals sehr unfreundlich war, hörte die Militärmusik im
Park, ging langsam durch den Abendtunnel, der von hier direkt zum Marktplatz führte, und
dann schritt er auf das alte Haus an der Stadtmauer zu, wo in der Durchfahrt eine Öllampe
blinkte... Und andermal floß er mit den Flößern, man konnte sein Gesicht nicht sehen,
und gleich am anderen Tag stand er in Pa¹ovka, im alten Kirschgarten, über der Stadt,
und hörte zu, wie vom Turm die Fanfaren geblasen werden. So war er, er ging leise durch
die Stadt und Landschaft, er war hier und war hier nicht, aber die ganze Stadt war voll
und durchdrungen von ihm.“
Václav Kr¹ka 1957
„Das
ständige Nachdenken in der Haut und durch die Haut, das ständige Dichten über die
Haut...es macht dich müder, als wenn du die ganze Zeit eine Schubkarre voll von Ziegel
schleppen würdest...Èechov und Hamsun zu vermischen ist wie Wasser mit Feuer zu
vermischen. Was kann davon entstehen als nur Dampf, Nebel, die hier dasselbe sind, wie ein
gesicherter Nicht-Weg?“
F.X.©alda, 1927 |