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Der Weg aus einer Falle? Der Weg zurück!

Oldřich Kříž von Telč und Václav von Rovné

Nach der hussitischen Flut erholte sich die literarische Kultur auf zweierlei Art und Weise. Die Anhänger der konservativeren Strömung versuchten (fast) Unmögliches, und zwar eine kulturelle Brücke zwischen dem Böhmen Karls IV. und dem Böhmen der Jagiellonen aufzubauen. Die sog. Progressiveren schielten dagegen ins Ausland und versuchten, in den zeitgenössischen europäischen Trends zu suchen. Für beide geistige Tendenzen finden wir Vertreter in Südböhmen, die konservativere scheint schon auf den ersten Blick kulturell fruchtbarer und - verwunderlich? - auch pro futuro mehrere Konsequenzen zu haben.

Der Augustiner-Konvent in Třeboň/Wittingau erreichte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eine besondere kulturelle Blüte, eine Blüte überzeugt konservativer Prägung. Inkunabeln aus Guttenbergs Erfindung kamen nur langsam hierher, und - aufrichtig gesagt - sie trafen auf kein besonderes Interesse. Wahrscheinlich auch deswegen wirkte eine kulturell sicher bedeutende Persönlichkeit in der Nähe des Klosters in Třeboň/Wittingau, die die Aufgabe des klassischen mittelalterlichen Abschreibens übernahm: Lehrer, Priester und ab 1478 auch Chorherr Oldřich Kříž von Telč. Seinen 26 Handschriftensammlungen verdanken wir die Bewahrung eines beträchtlichen Teils der Literatur des 14. und vom Anfang des 15. Jahrhunderts, und zwar einschließlich bunter lyrischer Liederproduktionen, nicht ernster lateinischer Schülerpoesie oder „Nová Rada“ und Sammlung der „Proverbien“ von Smil Flaška von Pardubice. „Seine Sammlung ist eine wirkliche Enzyklopädie des 15. Jahrhunderts“ (Josef Krása), sie erfaßte sogar auch die Farbenrezeptur für die Buchilluminierung. Obwohl er „immer zu der katholischen Wahrheit als zum Mittelpunkt aller kulturellen Bemühung zurückkehrte“ (Bohdan Chudoba), finden wir unter den Handschriften dieses fleißigen Antiquitätenliebhabers überraschenderweise auch Abschriften ältester utraquistischer Traktate.

Das andere Beispiel in unserem Mosaik finden wir in Český Krumlov /Krumau, Třeboň/Wittingau verlassen wir aber nicht ganz. Die Bibliotheken zeitgenössischer Gelehrter wurden immer mehr vom italienischen Humanismus inspiriert. Er drang zuerst ausschließlich in die katholischen Gebiete vor, und die Neigung dazu war meistens von einer unmittelbaren Kenntnis des italienischen Milieus abhängig. In den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts lernte ein Kreis junger „Intellektueller“ um den heranwachsenden Petr IV von Rosenberg (Alexandr von Krumlov, Martin Mareš, Václav Hayder u.a.) die Universität in Bologna kennen. In ihrer Nähe bewegte sich auch Václav von Rovné, Sohn des Bürgers von Český Krumlov/Krumau Hanuš und zukünftiger mächtiger Rosenberger Kanzler, der in der älteren Fachliteratur für einen „Begründer des südböhmischen Humanismus“ gehalten wurde. Ihn persönlich zog aber Italien nicht an. Und es ist nicht zu wundern, denn er schon seit seiner Jugend mit der „geistig-mittelalterlichen Festung“ der Augustiner aus Třeboň/Wittingau verbunden war. Im Jahre 1476 trat er in Konfraternität ein.

Obwohl er Gründer einer quantitativ und qualitativ außerordentlichen Bibliothek war, die Handschriften und Inkunabeln auf zeitgenössischem Niveau beinhaltete, obwohl sein Onkel der Kanzler am Hof des ungarischen Königs Matthias war, obwohl er Bewunderer der neuen italienischen Gedanken traf, obwohl er mit Bohuslav Hasištejnský von Lobkovice und dem Humanist aus Bologna Filip dem Älteren Beroaldo im Briefwechsel stand, „vertritt er eher die Ideen der Restauration als der Renaissance“. „Auf den humanistischen Appell Filip Beroaldos reagierte er auf eine Art und Weise, die über einen den mittelalterlichen christlichne Idealen ergebenen Menschen zeugt, obwohl er seine Äußerungen dem humanistischen Stil und der Form anpassen konnte.“ (Josef Hejnic) Er war ein leidenschaftlicher Bewunderer des heiligen Wundertäters Johannes des Täufers und der Kirchenväter, die in der Zeit Karls IV. beliebt waren: des heiligen Hieronymus und Augustinus. Finanziell unterstützte er das Kloster in Vyšší Brod/Hohenfurt und bemühte sich diplomatisch um eine Erneuerung der Kirchengüter in vorhussitischem Umfang. Und das lohnte sich für ihn nach dem Antritt des neuen Rosenberger Herrschers, Jindřich VII., nicht. Petrs Neffe wurde nämlich (unter anderem) nach dem großen Vermächtnis an die Kircheninstitutionen enterbt, was er - relativ richtig - dem „klerikalen“ Einfluß von Václav zuschrieb. Wenn der dreißigjährige Rosenberger nicht plötzlich gestorben wäre, hätte der Greis Václav im Gefängnis mehr Zeit verbringen können als ein Dreivierteljahr.

Brüche Václavs ursprünglicher Texte, meistens Bücherergänzungen, sind voll von Angriffen gegen den „Erzketzer“ Georg von Podiebrad, gegen die hussitischen und später lutheranischen „Judas“. Auf die Toleranz der humanistischen „amicitia“ antwortete er mit dem kompromißlosen Schwert der gotischen „charitas“.

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2006-01-21 14:15:27   (Ivan Šalé)

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