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Ein blutbenetztes Gedächtnis

Jindřich Michal Hýzrle von Chodů

Ein abgehärteter Söldner, ein politischer Abenteurer, ein kühner Reisender, ein schwelgerischer kaiserlicher Offizier, ein Verräter zugunsten der Passauer, ein erbarmungslos kluger Rechner, ein zynischer Ausbeuter, ein tief gläubiger und prunkliebender Verehrer Mariens. Das ist nur ein Bruchteil von Interpretationsetiketten, die für die Charakteristik des Lebens und des Werks Jindřich Hýzrles von Chodů möglich sind. In Südböhmen hätte man ihm relativ selten begegnen können. Er tauchte an verschiedenen Stellen des Prachinger Gebiets auf und bekehrte die Bevölkerung schon in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts kompromißlos zum rechten katholischen Glauben. In der Zeit der sächsischen Invasion (1632) wurde er zum Kommandanten der kaiserlichen Garnison in České Budějovice (Böhmisch Budweis) ernannt (damals war die Stadt vorübergehend das Zentrum des Königreichs!) und während der 30er Jahre kehrte er immer wieder auf das Eltschowitzer Schloß zurück. Die Ortschaft Lčovice (Eltschowitz) im Prachatitzer Gebiet, die er in der Zeit umfangreicher Besitzübertragungen nach der Schlacht am Weißen Berg erhielt, verstand er als sein Tuskulum, sein Zuhause.

Das literarische Werk Hýzrles ist bis heute aus drei handschriftlichen Bänden bekannt: aus einer Fachbetrachtung, die sich mit der Landesverteidigung beschäftigt, und vor allem aus zwei parallelen Versionen der Memoiren, wobei die eine deutsch und die andere tschechisch verfaßt wurde. In ihnen zeigt sich ein faszinierendes aber ein überaus grausames Bild des Dreißigjährigen Kriegs. Es ist das Bild einer Welt, in welcher wegen den Hunderten von vernichteten Lebensschicksalen, wegen den Lacken der ausgeflossenen Körperflüssigkeiten und wegen der schrecklichen Armut der Kleinsten und der einfachsten Leute keiner innehält. Handelt es sich tatsächlich um ein Paradoxon, daß man durch den selben Text von der wunderbaren Blutung des Bildes, das die unendlich barmherzige Mutter Maria darstellt, erfährt? Diese geschah auf dem Eltschowitzer Schloß während der Geburt des Nachkommens Hýzrles. Die gnadenreiche Veranschaulichung der Schmerzhaften Jungfrau Maria, die damals im Zimmer seiner Ehegattin gehangen hatte, kann man bis heute im Interieur der Kaputzinerklosterkirche in Sušice (Schüttenhofen) besichtigen. Vielleicht ist es nur kniend vor diesem Bild möglich, die Sünden unserer Nächsten, mitsamt der Sünden des im Blut watenden Herrn Jindřich zu betrachten.

“Beim Lesen der Memoiren Hýzrles muß man an das Zeitalter der Musketiere von Dumas denken. Vor Augen erstreckt sich hier ohne jegliche romantische Verkrustung das Zeitalter der Degen, die schon wegen einem einzigen Beleidigungswort, wegen der Neigung einer Dame, wegen der soldatischen Ehre gezückt wurden. Ein Zeitalter der Freundschaft von kühnen Prahlern und sorglosen Genüßlingen… Im Hofmilieu und im Militärquartier, dort fühlte sich Jindřich Hýzrle am meisten zu Hause.”

Lydia Petráňová, 1979

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