Gegen den Zorn des
Antichrists ohne die Rüstung der Tradition und den Schild der Demut Jan Hus
„Magister
Johannes“ begegnete dem Süden Böhmens zweimal und – obwohl er von manchen
früheren und auch zeitgenössischen Propagandisten die Bezeichnung „südböhmischer
Riese“ erhielt – geschah das nicht ein einziges Mal freiwillig. Zum erstenmal dürfte
es ihm gleich bei seiner Geburt geschehen sein, die sich nach indirekten Beweisen und
einer tief verwurzelten Tradition in Husinec (Hussinetz) in der Nähe von Prachatice
(Prachatitz) ereignet haben soll. Das zweite Mal flüchtete er zu dem Zeitpunkt in den
Süden, als für ihn Prag, seine langjährige Universitäts-, Priester- und vor allem
Predigerwirkungsstätte, zum heißen Boden geworden war, so daß ihm nicht einmal seine
langfristigen Förderer, mitsamt König Wenzel IV., Schutz und persönliche Sicherheit
garantieren konnten. Das geschah im Oktober 1412. Weder die religiöse noch die politische
Lage waren damals übersichtlich. In Rom, Avignon und Pisa wechselten die sich gegenseitig
nicht anerkennenden Päpste ab. Wiederholt eskalierte die Spannung zwischen dem König und
dem Prager Erzbischof. Im intellektuellen Milieu verliefen scharfe Wortgefechte zwischen
den Realisten und den Nominalisten, zwischen den Anhängern und den Gegnern John
Wycliffes, zwischen den Radikalen und den Konservativen, den
priesterlichen Mehrfachpfründnern und den materiell ungesicherten – und deshalb sich
radikalisierenden – Absolventen der Universität. Unter diesen überhizten Kessel goß
Johannes Hus durch seine Predigten und schriftstellerischen Werke nicht nur einmal Öl ins
Feuer.
Im „Exil“
auf der kleinen Burg Kozí Hrádek („Ziegenburg“), in Milièín (Miltschin) und in
Sezimovo Ústí (Alt-Tabor) dürfte er mit offenen Armen
empfangen worden sein. Er predigte, wo immer es möglich war, fleißig schickte er seinen
Freunden Briefe („listy posélací“ / „Sendungsbriefe“) und schrieb vor allem neue
Werke. Im Gegensatz zur vorangehenden Prager Phase seines Schaffens wechselt das
Lateinische immer öfters die tschechische Sprache ab. Keineswegs fehlt ihm dafür die
theoretische Vorbildung. Das bezeugen seine Abhandlung „De orthographia bohemica“, die
anstelle der früher geläufigen Konsonantenzusammenrückungen das System der Striche in
die tschechische Schreibschrift einführte, und die starrsinnige, kullturell jedoch sehr
fruchtbare Akzentuierung der tschechischsprachigen Kirchenlieder (dadurch widersprach er
sowohl den offiziellen prolateinischen Stellungnahmen der römischen Kirche als auch der
radikalen Ablehnung des Gesangs in den Schriften Wycliffes). Bereits im November 1412
beendete er „Výklad viery“ (Auslegung des Glaubens) und ein knappes Jahr später
„Postila“ (Postille). Seinen zahlreichen Zuhörerinnen widmete er den berühmten
Traktat „Dcerka“ (Töchterchen).
Johannes Hus
gewann unter dem Einfluß der zeitgenössischen Glaubensreformatoren die Überzeugung,
daß er die Heiligkeit von der Sünde, die Wahrheit von der Täuschung und den Christ vom
Antichrist unterscheiden kann. Er suchte nicht, er fand nur und verketzerte. Womit er
umging, das hängte ihm leider Gottes an.
„Mit dem
bö hmischen Reformator Huss fä ngt eine neue Epoche in der Geschichte der bö hmischen
Nation und ihrer Kultur, folglich auch ihrer Sprache an.“
Josef Dobrovský, 1791
„Hus
stellt in unserer Geschichte einen Prüfstein dar, an dem Charaktere zerbrechen.“
Tomá¹ Garigue Masaryk, 1903
„Der
Querulant aus Husinec hätte in den Flammen nicht umkommen müssen, wenn er in sich Demut
gehabt hätte und wenn er nicht von einem Messiaskomplex getrieben worden wäre, wenn er
sich nicht an der Zusicherung des Märtyrtums berauscht hätte… Eine Schreckgestalt, die
nur den Teufel an die Wand malte und jeden Tag das Armageddon erwartete, die Massen
fanatisierte und das Feuer, das Hus anzündete, versengte dann sowohl ihn als auch sein
Land.“
Milo¹ Urban, 2001 |